Einfühlsame Architektur für schwere StundenDer Ohlsdorfer Friedhof, der sich im Hamburger Norden in der Nähe des Flughafens befindet, ist mit seinen 391 Hektar der größte Parkfriedhof der Welt. Zwei Buslinien bringen die Menschen – Angehörige ebenso wie auch zahlreiche Besucher – in die Nähe des gewünschten Orts. 13 Kapellen laden ein, innezuhalten, zur Ruhe zu kommen und den oftmals tiefen Gefühlen, die beim Besuch eines Friedhofs aufkommen, nachzugeben.
Ganz im Westen der Anlage befindet sich das neue Bestattungsforum, das in seiner Art in Deutschland bislang einmalig ist. Denn sowohl eine Erdbestattung als auch eine Urnenbeisetzung können dort nun an einem Tag stattfinden. Für die Trauergemeinde wurde ein Familienzimmer als Rückzugsmöglichkeit eingerichtet, in dem sie drauf warten kann, bis der Tote eingeäschert worden ist.
Das Fritz-Schumacher-Krematorium, das Dohse Architekten saniert und umgebaut haben, und die zwei Neubauten von tsj Architekten bilden gemeinsam das neue Bestattungsforum. Der unter Denkmalschutz stehende Bestandsbau war 1933 eingeweiht und im Laufe der Jahre stark verändert worden. So waren die Dachschrägen aus Klinker unter einer Kupfereindeckung verschwunden, das Farbkonzept der großen Feierhalle ließ sich mit dem originalen nicht mehr vergleichen. All diese Veränderungen wurden behutsam zurückgebaut, die bunten Fenster des Malers Ervin Bossanyi und das blau-goldene Mosaik von Heinrich Jungebloedt saniert, die Kandelaberleuchten, die Schumacher entworfen hatte, nachgebaut. Es entstand ein Ort, der wieder die ihm nötige Würde ausstrahlt.
Die Abschiedsräume im Souterraingeschoss des Bestattungsforums sind über einen separaten Eingang zugänglich, der von der Gebäudevorderkante etwas zurückversetzt und somit geschützt ist. Das ihnen vorgelagerte Wasserbecken strahlt Ruhe aus.
tsj Architekten ordneten die beiden neuen Gebäuderiegel entsprechend den Vorgaben des Denkmalschutzes hinter dem Bestandsbau an und führten sie bis zur Fuhlsbüttler Straße fort. Dadurch wird zum einen die Symmetrie des Baus von Fritz Schumacher betont, zum anderen entsteht in Anlehnung an die historischen Pläne ein Innenhof mit einer begrünten Fläche. Bei der Fassadengestaltung führten die Architekten das Thema Klinker fort und ergänzten es an einigen Stellen mit Sichtbeton.
Im großen Foyer dominieren eine schlichte, aber dennoch nicht kühle Gestaltung, helle, freundliche Farben und natürliche Materialien. Im Familienzimmer, in das sich die nächsten Angehörigen zurückziehen können, in den Feierhallen und den Abschiedsräumen im Souterrain geben die Architekten, den Trauernden mit warmen Farbtönen Halt. Dabei ist jeder dieser introvertierten Räume anders gestaltet, um den Angehörigen entsprechend ihrer Stimmungen und Gefühle ein möglichst passendes Umfeld anzubieten.
Simone Hübener