Mittendrin Interessant will das neue Wohnhaus im Dorfzentrum von Haldenstein nicht sein. Es fügt sich unprätentiös in den Ort ein und ist somit ein Exempel für die Haltung seines Architekten Miroslav _ik, der 2005 den Wettbewerb der Bür gergemeinde Haldenstein gewann. Die Postmoderne im Hintergrund war _ik einst zu neuen Ufern aufgebrochen: Einen regionalen, kontextuellen und poetischen An satz su chend, hatte er die Analoge Architektur mitbegründet. Dass er den Regionalismus inzwischen über Bord geworfen hat, wird in Haldenstein augenscheinlich, denn das Wohnhaus hat mit den umliegenden Bündner Häusern wenig gemein. Wie gelingt es dem Bau trotzdem, sich unauffällig unter die anderen Häuser zu mischen?
Ein Kunstgriff sorgt dafür, dass der grosse Neubau dem Dorfkern massstäblich gerecht wird: Eine Dachlandschaft von sechs ineinander übergehenden Satteldächern bricht das Gesamtvolumen auf mehrere Häuser herunter. Der Bau sitzt so bestens in der Lücke. Seine Vorund Rücksprünge weiten die Zwischenräume zu einem Hof und einem kleinen Platz und verengen sie wieder zur Gasse. Die feine Körnung der wassergestrahlten Betonfassade erinnert nicht etwa an Waschbeton der Sechzigerund Siebzigerjahre, sondern stellt eine Verwandtschaft zu den benachbarten Putzhäusern her. Durch Verzicht auf Dachvorsprünge wirkt das Wohnhaus massiv und robust.
Hingegen strapazieren die zahlreichen französischen Fenster zugunsten heller Wohnungen die Aussenwand. Mattierte Glasbrüstungen wollen offenbar die verloren gegangene Intimität retten. Auch verleihen die aus der Achse gerückten Öffnungen der Giebelfassaden dem Haus einen etwas verspannten Ausdruck. Gelassen wirken dagegen die Loggien nach Südosten zur Gasse hin. Sie sind Teil eines ringförmigen Laubengangs. Dieses bestechende Kernstück des Hauses offenbart, wie virtuos der Aussenraum den Gebäudekörper durchdringt. Grosszügig wird hier dem gemeinschaftlichen Leben ausserhalb der privaten Wohnung Platz eingeräumt. Ob Kinderwagen, Fahrräder, Esstische oder Liegestühle ihren Weg in die Laube finden werden – dieser Architektur nimmt man ab, dass sie der Vielfalt des Alltags zugeneigt ist.
Die Eigenart der Wohnungen liegt im direkten Zugang über die Wohnküche. Breite Wohnungstüren stärken den Bezug zur Loggia. Ansonsten sind die Wohnungen recht gewöhnlich geschnitten und wohltuend solide, aber unspezifisch detailliert und materialisiert. Dies weckt die Frage: Könnten diese Wohnungen nicht genauso gut in Zürich stehen? Welche Kriterien gelten beim Entwerfen eines Wohnhauses, wenn der Wohnalltag hier wie dort der gleiche ist? Die Analoge Architektur propagierte charakteristische Atmosphären – diesem Manifest könnte eine verfeinerte Machart den Weg in die Baupraxis bahnen. Denn Rollladenschienen, Geländerprofile, Türschwellen, Küchenkorpusse, all diese Dinge sprechen – hier wünschte man sie sich präziser formuliert.